Turkmenistan - Klamme Staatskasse?

Ebenfalls 29.05.2013, etwas früher am Tag

Nachdem wir einige Tage am Kaspischen Meer verbracht haben, schlagen wir den direkten Kurs nach Osten ein, um bei Bajgaran die Grenze vom Iran nach Turkmesistan zu passieren. Unsere letzte Nacht im Iran verbringen wir in Shirvan, einer alten Stadt an der Seidenstraße, die in einem riesigen Talkessel liegt. Da wir uns vor den Nachmittagstemperaturen fürchten, stemmen wir uns ohne große Jammerei am Morgen aus den Betten und sitzen um 6 Uhr auf den Motorrädern. Die Luft am Morgen ist herrlich, genauso wir die tolle Atmosphäre, wenn der Tag anbricht und die Hügel in diesigem Licht liegen. 160 km fahren wir durch die absolut einsame und märchenhafte Landschaft zur Grenze, schroffe Berge wechseln ab mit unwirklichen Dörfern in vereinzelten Oasen und blühenden Mohnfeldern. Kein Schild weist darauf hin, dass die Hauptstadt Turkmenistans, Aschgabat, nur 70 km entfernt liegt, als wir die Grenzstation um 8 Uhr morgens erreichen.

Erster Stopp an einem Dorfposten, noch auf iranischer Seite. Thomas muss einen Koffer öffnen, man ist gewohnt freundlich zu uns und pinselt irgend etwas in unsere Carnets hinein. Die Zuständigkeiten sind bei diesem offiziellen Akt allerdings intern nicht vollkommen geklärt. Dann werden wir 2 km weiter geschickt.
Wir bekommen zunächst den iranischen Ausreisestempel in die Pässe gedrückt, an anderer Stelle die Mopeds aus dem Carnet gestempelt. Dann geht es zur Fahrzeugdesinfektion, was sich so darstellt, dass wir das Motorrad auf ein Gatter fahren, ein Beamter zehn Dollar von jedem kassiert und uns sagt, wir sollen über die Grenze dahinter rollen. Das war ja einfach und nichts ist nass geworden. Schwupps, und sind wir glücklich und desinfiziert durch das Grenztor gerollt. Uns fällt ein Felsblock vom Herzen, wir werden das bei Gelegenheit erkären.

Aha, der turkmenische Grenzposten naht. Ebenfalls nichts los hier, ein paar turkmenische Familien haben im Iran hauptsächlich in Sachen Teppich Geschäfte gemacht, und Thomas verschwindet mit den Pässen in einem Haus, während ich auf die Motorräder acht gebe. Wir werden angewiesen, in einem anderen Haus zusammen mit den Pässen vorstellig zu werden. Der Beamte fragt uns, auf welcher Strecke wir bis zur Ausreise aus Turkmenistan unterwegs sein werden, wir haben zwei Straßen durchs Land zu Auswahl, mehr gibt es auch gar nicht. Wir wollen der Seidenstraße nach Buchara folgen. Er fragt uns auch, in welchen Hotels wir genau schlafen wollen: Für die zweite und dritte Nacht von dreien haben wir keinen Plan, also nennt er uns einfach eines. Das ist Thomas aber zu windig, wer weiß, was das für eine Kaschemme ist, also kramt er fix den Reiseführer raus und wir einigen uns mit dem Ofiziellen auf ein anderes Gasthaus, bevor wir an einer Tür in der Halle klingeln sollen. Mittlerweile ist mein Kopfschal in einem Sessel gelandet ... wie herrlich! Eine Frau öffnet und kassiert umgerechnet 15 EUR, wohl fürs Klingeln, der Rest erschließt sich uns nicht. Es gibt allerdings zwei Zettel.
Wir werden weiter geschoben, wir beginnen uns wie in einem Gesellschaftsspiel zu fühlen, was die ganze Sache ziemlich kurzweilig macht. Hinter dem nächsten Türchen poltert ein turkmenischer Beamter auf Russisch herum, und ich kann erste Worte anwenden. Hauptsächlich redet er aber. Ein Schreiber notiert, was wir jetzt alles bei ihm kaufen werden:

  1. Desinfektion (nochmal, sicher ist sicher)
  2. Straßenbenutzungsgebühr als Kompensation zum Benzinpreis von 20 Cent
  3. KFZ-Versicherungen
  4. Zollformulare
  5. Zettel, auf dem sorgfältig unsere Route eingemalt ist
  6. Diverses

Zahlen müssen wir in der Bank gleich ums Eck, die sich aber nur als Türchen entpuppt. Hinter diesem Türchen sitzt der polternde Turkmene, nun in Form eines Bankangestellten, und kassiert die Gebühr von insgesamt 108 EUR (glücklicherweise wussten wir vor der Reise bereits davon).
Es folgt: die Desinfektion. Dazu ziehen wir weiter in ein Zimmerchen, in dem eine freundliche Dame sitzt. Hinter ihr auf einem abgewrackten Schrank steht ein altes Mikroskop mit zwei unterschiedlich langen Okkularen für das rechte und das linke Auge (?), zur Veranschaulichung liegt auf dem Präparathalter eine Plastiktraube, wie man sie oft in den Auslagen von Metzgereien findet.

Die Dame lächelt uns zu, drückt ihren Stempel in zwei der Sammelzettel, und wir sind desinfiziert.
Weiter geht´s in ein anderes Häuschen, und ein lustiger Mann, der meine russischsprachigen Bemühungen anzuerkennen weiß, stellt Zollformulare aus. Und meint, jetzt nur noch raus zur Gepäckkontrolle, und zwar flott, denn es ist halb eins und um eins machen die hier Mittag. Beflügelt durch diese Aussage, sind wir in Windeseile bei unseren Motorrädern, die inzwischen von einem netten alten Cockerspaniel, seines Zeichens Drogenhund, abgeschnüffelt wurden.
Absolut bereitwillig öffnen wir Taschen und Kisten, hauptsächlich werden Waffen gesucht, auf deren Besitz schwere Strafen stehen. Wir erfahren, dass Tage zuvor ein holländisches Paar diese Grenze passiert hat und seine Waffe bekloppterweise unterschlagen hat – die aber später im Land irgendwie entdeckt wurde. Die Folge für die kontrollierenden Beamten war das Gefängnis, über das Schicksal des holländischen Paare ist uns nichts bekannt ... wir wünschen ihnen viel Glück ...
Nachdem die Zöllner unsere Campingausrüstung inspiziert haben (besonders angetan sind sie von Thomas´ Messer und unseren Klappstühlen), sind wir entlassen. Ein Offizier fragt uns noch, warum wir denn herumreisen, das gäbe doch nur Probleme: Probleme mit der Sprache, Probleme mit den Grenzformalitäten, er kann es nicht verstehen.
Nach 4,5 Stunden, die absolut kurzweilig waren, durchqueren wir das iranisch-turkmenische Gebirge und sehen nach einer Weile in der Ferne die riesige Utopie-Stadt Aschgabat in weißem Marmor leuchten.

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