22.04.2012 - Zur alten Königsstadt

Es muss wieder nach Norden gehen, auch vier Wochen Zeit wollen aufgeteilt sein … Kathi flitzt wie selbstverständlich die lange Piste zur Straße nach Erfoud. Ist eben alles Gewöhnungssache! Wir werden die östlichen Ausläufer des Hohen Atlas durchqueren, nachdem wir dem schönen Oasental des Flusses Ziz gefolgt sind. Dort nehmen wir am Vormittag noch eine Cola und den obligatorischen O-Saft zu uns, in einem Straßenlokal mit einheimischer Beschallung. Die sind wir zwar bereits gewohnt und sie ist auch manchmal richtig melodisch für unsere Ohren, aber das, was wir hier zu hören bekommen, übertrifft alles: eine Mischung aus gequältem Jammern, Aufheulen und angezogenen Seufzern in allen Disharmonien, die der Sängerin zur Verfügung stehen. Und das Ganze in einer ordentlichen Lautstärke, was die 5W-Boxen eben hergeben, damit auch die Besucher des angrenzenden Wochenmarkts in den Genuß kommen. Wir stellen uns vor, wie wohl der Text lautet, kommen aber zu keinem angemessenen Ergebnis. Es muss etwas mit sehr schwerem Verlust zu tun haben ...

An der Quelle Source Bleu de Meski machen wir wieder einen Stopp. Eine unterirdische Quelle, die einem Fels entspringt, füllt einen Pool, der dadurch jeden Tag das Wasser einmal ausgetauscht bekommt. Weil die Quelle in der trockenen Umgebung hier das ganze Jahr über niemals versiegt, werden seit alten Zeiten regelmäßig Kerzenopfer von den Frauen dargebracht - damit das auch so bleibt!


Die Strecke führt weiter bergauf, die Landschaft wechselt in Grand Canyon-Muster. Wundervoll, fast ohne Verkehr geht es viele km in Richtung Passhöhe. Meine weiße Alp hat aber den letzten Sprit wohl nicht so ganz vertragen, sie ächzt und eiert mit nur noch 70 km/h die Steigungen hinauf. Egal, solange sie nicht stehen bleibt und mir damit ein größeres Problem bereitet, muss sie dadurch. Und ich eben auch. Aber irgendwann sind wir oben, und beim Runterfahren pustet sie sich wieder frei.
Wir machen für die Nacht Station in der Kashba Asmaa. Die Mopeds werden im Innenhof geparkt, der Boden ist mit glatten Fliesen ausgelegt, und Kathi´s Alp gerät ins Wanken und kippt ihr um. Da sie geistesgegenwärtig einfach abspringt und sie fallen lässt, gibt es auch keine Blessuren. Am Moped übrigens auch nicht. Dann zum Tee! Die gereichten Pralinen füllen sich wie von Zauberhand immer wieder nach, bis uns fast schlecht ist. Kathi meint, ich soll doch welche für abends mit aufs Zimmer nehmen, aber das habe ich ja auch schon gemacht … die Dinger müssen wohl weg!

Am folgenden Tag schlagen wir die Richtung nach Fes ein. Wieder eine tolle Tagesfahrt, diesmal über den Mittleren Altas. Wieder ein Pass von 2.100 m Höh, der  Tizi n´Talrhemt, mit eindrucksvollen Hochtälern, in denen Weidewirtschaft betrieben wird und in deren Flüssen geangelt wird - unter anderem die Atlas-Forelle (äußerst wohlschmeckend übrigens). Hier beginnt der große Zedernwald Marokkos mit alten Baumriesen, von denen jeder wie eine eigene Persönlichkeit erscheint. Die Luft ist wunderbar, die Straßen - noch schöner. Wir machen wieder eine Pause, um die gehorteten kostbaren Dulces (Pralinen) und unser übliches Pausenfutter zu verspeisen.


Dann liegt in einem großen Talkessel 800 m unter uns die alte Königsstadt Fes.

Die Suche nach dem Camping in Fes wird nicht so einfach, weil die im Führer angegebenen Koordinaten zu einem Hotel im Norden der Stadt, nicht aber zum Camping im Süden gehören. Und das ist nicht ganz so lustig, weil wir wieder 12 km zurück durchs Getümmel müssen … Kathi ("Och nee, gibt´s denn HIER keinen Campingplatz?!" "Nein, gibt es nicht.") bekommt einen O-Saft, und mit nur noch leisem Murren stürzt sie sich mit uns hinein ins Verkehrschaos bis zum Camp.

Die Medina von Fes, innerhalb der alten Stadtmauer gelegen, ist wunderbar. Orientalisch, verwinkelt, bunt, laut und malerisch. Wir fahren an einem Tag mit dem Bus die 6 km in die Stadt, für 3 dh pro Person (27 Cent). Und wir wagen es, ohne Führer die Medina zu erobern, was wirklich eine Leistung ist! Für unsere europäischen Sinne herrscht hier ein solches Durcheinander an Gassen, und das Ganze auf 1 km x 800 m, dass man meinen könnte, es geht nie in die richtige Richtung, geschweige denn wieder hinaus! Trotzdem finden wir die Moschee, das Färber- und das Gerberviertel sowie andere schöne Sehenswürdigkeiten, die man in der Enge aber erst sieht, wenn man 2 m davor steht. Uns erscheint es hier bei Weitem nicht so touristisch wie in Marrakech, den ersten Touristen erspähen wir von einem schönen Dachterrassen-Café aus erst nach 2o Minuten. Auch das Warenangebot ist nicht touristisch, sondern auf die Bewohner abgestimmt und recht authentisch: Dinge des täglichen Gebrauchs, Obst und Nüsse in 1.000 Variationen, lebende Hühner samt Eiern, tote Hammel, Schneidereien, Schuhmacher, Weber, Kupfertreiber, Wasserverkäufer, Juweliere und Tuchmacher, alles halbwegs "sortiert" in Souk-Vierteln zusammen gefasst. Am Abend dann nehmen wir ganz luxoriös ein Taxi, dass uns für 20 dh zurück zu den Zelten fährt.

Das Großstadtgetümmel mal wieder hinter uns lassend, machen wir uns nach ein paar Tagen auf ins Rif-Gebirge, wir haben uns die kleine Bergstadt Chefchaouen ausgeguckt.