.. und immer flexibel bleiben!

08.01.2012

Wir hätten ja mit vielem gerechnet, nicht aber mit dem Wunsch unserer Tochter, uns beide vielleicht auf eine sehr langen Reise über die Seidenstraße zu begleiten. Noch nie hatte sie mit uns auch nur eine Wochenendtour gemacht, andere Events oder Freunde waren verständlicherweise wichtiger. Kurz vor Weihnachten 2011 spricht sie uns an. Wir sind schon mitten bei den Vorbereitungen für unseren Seidenstraßen-Start im März 2012. Wir sind sehr überrascht und überlegen: Was nun - einfach doch allein los? Auf keinen Fall. Einfach mitnehmen? Das Risiko ist zu groß, sie ohne Reiseerfahrung auf einem Motorrad mitreisen zu lassen. Die Verlockung ist aber auch zu stark, um so eine Chance einfach verstreichen zu lassen. Ein Motorrad hat sie ja, sie fährt derzeit eine Transalp. Aber bisher war das Motorrad nur 2. Wahl, nämlich wenn kein Auto nicht zur Verfügung.

So haben wir die Weihnachtstage hin und herüberlegt und einen Kompromiss gefunden. Wir werden Ende März mit ihr einen Monat in Marokko Test-Abenteuern. Anfahrt ab Spanien auf eigener Stolle und dann zu dritt - jeder mit eigenem Motorrad - über den Hohen Atlas an den Rand der Sahara, über die schönen Pässen im Süd-Westen Tizi'n'Test und Tizi'n'Tiska nach Ait-Benhaddoun. Auch ein Besuch der alten Königsstädte steht auf dem Programm.

Sollte das klappen und ihr Studienbeginn um ein Jahr verschoben werden, nehmen wir als Familie die Seidenstraßentour in Angriff. Der neue Zeitplan für den Start des Seidenstraßen-Abenteuers ist dann Anfang 2013 - vielleicht sogar zu dritt!

Also los!

Unsere Tochter auf ihrem ersten Moped, einer Derbi 125, beim Ausüben der bürgerlichen Pflichten ;-)

01.04.2012 - Alora, Spanien - Auftakt der Marokko-Tour

Drei frischbereifte Motorräder stehen startklar für unsere Marokko-Reise in der Einfahrt, die vielen Gepäckeinzelteile haben sich auf wundersame Weise in die Alukisten verkrümelt und die Besitzer freuen sich auf vier Wochen reisen, entdecken und entspannen. Merkwürdigerweise wird mein Gepäck von Reise zu Reise immer weniger, und obwohl ich ausser meinen Sachen den Küchen- und "Zelthaushaltskram" transportiere - Thomas deckt den Werkstatt-Part ab - musste ich dreimal überlegen, ob nicht was Großes fehlt!

Übrigens ist es das erste Mal, dass die "Dicken" auf einem Hänger stehen und wir die erste Anreisedistanz (bis Malaga) so überbrücken. Das ist erstmal ein Zugeständnis an unsere Tochter, die sonst garantiert nach diesen 2.500 km Anreise keinen Bock mehr auf ihren "Bock" hätte, und auch wir können wesentlich entspannter das Zielgebiet unter die Stolle nehmen. Jetzt geht es also mit dem Transporter zwei Tage bis Spanien.

Es ist vor 6 Uhr am Abreise-Morgen, und ich habe natürlich wieder kein Auge zugetan (na, bis auf 2 Stunden), wie es aussieht, werde ich dieses blöde Reisefieber vor der Abreise wohl mein ganzes Leben nicht loswerden! Kathi wollte sowieso die Nacht durchmachen, Thomas schlummerte beneidenswert friedlich :-)

...

Und dann, nach zwei Tagen: wir kommen endlich an. Nach knapp 2.400 km und etwas mehr als zwei Tagen Fahrt haben wir unser erstes Etappenziel erreicht: die Finca von Frank und Natalie in Alora, wo für die nächsten Wochen nun Hänger und Bus stehenbleiben können und von wo aus wir ab morgen früh weiter nach Süden mit den Einspurigen losfahren werden. Die Fahrt war ganz gut. Paris haben wir Freitag 16:00 Uhr pünktlich zur Rushhour durchquert. Knapp 2 Stunden später lief es dann wieder ordentlich und wir steuerten die Atlantikküste Richtung San Sebastian an. Gegen 1:00 Uhr nachts dann runter von der  Bahn und rein nach Biarritz, um einen Schlafplatz zu finden. Mehr Dusel hätten wir dann auch nicht haben können, als wir um das Casino an diversen Nachtclubs vorbei an der Strandpromenade von Biarritz einen First-Class Parkplatz direkt am Strand ergatterten, der auch noch groß genug für unser Gespann war. Grund genug für ein wunderschönes Frühstück mit Traumblick auf die Atlantikküste vor Biarritz am nächsten Morgen!

In der folgenden Nacht haben wir dann das Glück überstrapaziert. In der Hoffnung auf einen weiteren Traumplatz steuerten wir den Stand von Malaga an. Schon beim Passieren des Ortseingangs, wenn man ihn denn als solchen erkennen kann, kam uns eine Blechlawine um Mitternacht entgegen. Eigentlich fuhr sie nicht, sondern stand auf der Gegenfahrbahn. Als wir dann das Stadion passierten, waren wir selbst ein Teil der stehenden Lawine - also war entweder das Fußballspiel oder das Konzert gerade zu Ende gegangen. Irgendwann kamen wir dann doch noch an den Strand und fuhren diesen in nördlicher Richtung in der Hoffnung, einen Parkplatz zu ergattern. Aber selbst um ein Uhr nachts war die ganze Stadt noch auf den Beinen und die Promenade gab leider nichts her. Also flugs den Plan geändert und die Richtung Alora eingeschlagen und auf irgendeinem Tankparkplatz bis zum Morgen wunderbar geschlafen. Das lag sicher auch zum Teil an diesem wunderbaren Blütenduft des Zitronenhains neben dem wir unwissentlich geparkt hatten. Die restlichen 25 km bis zu Frank waren dann nach einem Cortado ruckzuck abgefahren.

Und da sind wir nun und nutzen vorerst die Annehmlichkeiten seines Gästehauses mit Internet, Dusche, Strom und Fernseher - purer Luxus. Ein herzlicher Empfang wird uns von Natalie, Patrick und Frank bereitet, nicht zu vergessen der kleine Ragnar mit seinen 8 Monaten und wir schauen uns auf seinem Anwesen um. Das erste, was auffällt, ist wieder dieser Geruch. Man könnte in einer Parfümerie stehen, die allerdings nur einen Geruch handelt: Zitrone. Auch hier stehen wir inmitten eines Zitronenhains und geniessen den Duft der Blüten. Morgen geht es dann richtig los!

03.04.2012 - Asilah, Marokko

Erschlafft in den Stühlen sitzend haben wir das zweite opulente Abendessen hinter uns gebracht. Eigentlich hätte uns der Vorabend eine Lehre sein sollen. Hier hat Aziz aufgetischt als gäbe es kein Morgen. Klingt dramatisch, war es auch. Sollte jemand in Asilah gut essen gehen wollen, sollte er gegenüber dem Camping in Asilah das Restaurant Annakhil besuchen. Aber aufgepasst: Aziz ist ein guter Verkäufer und ehe man sich versieht häufen sich die vorzüglichen Speisenberge auf, mit denen man dann doch nicht gerechnet hat. Aber jetzt erst mal der Reihe nach. Am Montag früh - also ein Tag zuvor - brachen wir von Alora im Sonnenschein auf in Richtung Tarifa und zunächst sah es nach einem perfekten Auftakt aus, bis uns in der Höhe Estorils die Regenwolken entgegenkamen. Die Routenführung schien uns zunächst an den Schlamasselwolken vorbei zu führen, doch ab Algeciras waren wir dann doch mittendrin und der Regen blieb uns dann bis Tarifs erhalten.

Die Schnellfähre brachte uns dann in knapp einer Stunde (geworben wird mit 30 Minuten, aber wahrscheinlich stand da der Ölpreis noch wo ganz anders) nach Tanger. Den ersten afrikanischen Asphalt unter den Reifen rollten wir unerwartet ernsthaften Problem entgegen: dem marokkanische Zoll. Irgendwie hatten wir es nämlich 2005 geschafft, Thomas´ Motorrad am Zoll vorbei aus dem Land zu schmuggeln. Unwissentlich natürlich, aber nun merkten die marokkanischen Behörden unseren Fauxpas (keine Ahnung, wie das passieren konnte) und liefen ein wenig rastlos durch die Gegend, bis ein wichtig aussehender Chefchef gelangweilt einen Stempel auf die Rückseite der Einreiseformulare machte und seinem Kollegen bedeutete, dass dies nun die nachgeholte Ausreiseprozedur darstelle.

Als wir dann endlich als letzte weit abgeschlagen aus dem Zollgebäude rollten, nahmen wir Fahrt nach Asilah auf, unserem ersten Ziel in Afrika. Nach einer knappen Stunde erreichten wir den Campingplatz. Kaum die Helme abgezogen, fing es auch schon an zu regnen. Allerdings war der Regen nur von kurzer Dauer und als unsere Pflichten wie Zelte aufbauen, Lumas aufblasen und Moppedklamotten gegen legere Kleidung tauschen erledigt waren, ging es nach Asilah Downtown.

In den sieben Jahren unsere Abwesenheit hat sich hier eigentlich kaum etwas verändert. Wir fanden uns auf Anhieb wieder zurecht, kauften ein, was wir so brauchten und ließen uns abends von bereits erwähnten Aziz verwöhnen. Die Nacht und der nächste Morgen waren dann wieder völlig verregnet, aber gegen 11 Uhr rissen dann die Wolken doch auf und im Straßencafe an der alten Medinamauer ließen wir uns bei Frühstück im Sonnenschein verwöhnen. Anschließend stand die Erkundung der Medina auf dem Programm. Auf schneeweißen Hauswänden fanden sich wunderschön bunte Wandmalereien von einheimische Künstlern, die im Sonnenschein so recht zur Geltung kamen. Gegen Nachmittag ereilte uns dann erneut der Regen und wir prüften die Wetterlage im nächsten Internetshop. Eigentlich stand für morgen die Fahrt nach Fes auf dem Programm. Ein Temperatursturz und zunehmende Schauer in dem Gebiet ließen uns dann vom ursprünglichen Plan abweichen. Statt nach Fes aufzubrechen, werden wir noch einen Tag in Asilah das nicht so tolle Wetter absitzen, um dann die Atlantikküste südlich nach Casablanca unter die Reifen zu nehmen und anschließend nach Südosten "abzubiegen". Wir werden also unsere geplante Route einfach umgekehrt fahren. Morgen sind wir dann garantiert früh wach, denn der Campingbetreiber hält auf dem Platz freilaufende Hühner - oder vielmehr Hähne, die bereits um 6 Uhr aufstehen. Und hier sind die Hühner größer als die Katzen ...

Noch ein Tipp für Asilah-Besucher. Wenn man den Campingplatz am strandabgewandten Tor verlässt und der Straße stadteinwärts folgt, passiert man nach hundert Metern die zwei Teehäuser "Lotus" und "La Luna" und beide bieten ihren Gästen kostenfreien Wlan-Zugang und Steckdosen zum Laden des Elektrogebimsels.

05.04.2012 - Mohammedia/Casablanca

Statt auf der Landstraße sitzen wir nun im Teehaus ... Es ist 9:00 Uhr morgens und wir haben Asilah noch nicht verlassen können. Die Zelte abgebaut, alles verstaut für die nächste Etappe aber erneut hält uns der Regen auf. Wie sitzen das Problem bei einem ausgiebigen Frühstück aus. Als die Wolken aufreissen, beginnt gegen halb zwölf der Eiertanz: eine unglaubliche Route bringt uns zwischen den Regentürmen hindurch. Unglaublich, weil wir ein unglaubliches Glück haben, immer zwischen den Schauer durchfahren zu können. Kurz vor den Regenwänden macht die Strecke eine Wendung und wir fahren an den sintflutartigen Schauergebilden vorbei. Selten genug erlebt. Nach Kenitra geht weiter es auf Straßen, die unser Navi nicht kennt, aber die Richtung und das Wetter stimmen. Nach Kenitra geht es Richtung Rabat.

Als man den ersten Blick auf Marokkos Hauptstadt werfen kann, verzaubert die Landschaft. Ein größerer Fluß durchschneidet das Tal in Richtung Atlantik, rechts auf den Bergen trohnt Saleh und links davon befinden sich die ersten Ausläufer Rabats. Kurz an der Tanke gehalten - den Liter Super gibt es hier für 91 Cent - geht es weiter. An der nächsten Raststätte hat Kathi den ersten Durchhänger. Ohne ein Wort zu sagen, läßt sie sich auf den Stuhl fallen und vergräbt den Kopf zwischen den Armen. Der heftige Seitenwind, die schlammigen Ortsdurchfahrten und die kaputten Straßen fordern Tribut. Außerdem war das wohl die längste Moppedtour, die sie bisher gemacht hat. Eine Nackenmassage bringt sie wieder ein Stück nach vorne und wir nehmen die letzten 100 km in Angriff. Immer am Atlantik vorbei geht's nach Süden bis wir kurz vor Mohammedia den Campingplatz Ocean Blue erreichen. Die vielen Regenwolken sind strahlendem Sonnenschein gewichen - das läßt hoffen. Zwar war eigentlich geplant, am nächsten Tag weiter nach Marrakesch zu fahren, doch auf Kathis Wunsch legen wir einen weiteren Ruhetag auf diesem schönen Platz ein. Statt Hühner gibt es Katzen am Platz und die Mädels sind begeistert.

Für Interessierte: der Campingplatz liegt etwas abseits, wenn man ihn also anfahren möchte, sollte man Proviant dabei haben. Am Platz selbst kann man morgens allerdings Brot und Eier kaufen. Restaurants sind mindestens vier Kilometer entfernt.

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08.04.2012 - Kobras, Orangensaft und Fötschesföhler

Wir stehen zwar vor acht auf, aber die Handgriffe sitzen noch nicht, es muß sich halt alles wieder einspielen, und so kommen wir erst nach zehn vom Platz und rollen durch Mohammedia Richtung Casablanca. Stinkende Diesel und wenig Vorankommen bestimmen die ersten zwanzig Kilometer und ich kann Kathi unter ihrem Helm wie ein Rohrspatz schimpfen sehen. Sie findet es auf den Autobahnen sicherer, und man kommt schnell dahin, wo man hin will. Die Regeln im "normalen" Verkehr" lassen sich stark vereinfachen: Gefahren wird da, wo Platz ist. Aber schon bald können wir Casablanca verlassen und schlagen südöstlichen Kurs ein. Die Luft wird klarer, der Himmel erstrahlt in tiefem Blau, kaum eine Wolke ist zu sehen und so ist die Fahrt bis Marrakesch eigentlich ein Kinderspiel. Recht entspannt sind die Pausen, alles relaxed und man ist zufrieden.

Der Atem stockt, wenn man Marrakesch erreicht. Nicht wegen der Stadt, sondern wegen der Kulisse, die sich durch die schneebedeckten Berge des Hohen Atlas im Hintergrund der Stadt bietet. Was für ein grandioser Anblick. Obwohl noch nie da gewesen erinnert die Szenerie an Bilder von Kabul oder Teheran. Als Campingplatz haben wir den Platz auf der östlichen Seite Marrakeschs an der Ausfallstraße nach Ouarzazate gewählt. Ein Schild weist den Weg weg von der Hauptstraße auf eine Schotterpiste. Diese zieht sich allerdings gute anderthalb Kilometer hin. Für Kathi ist es das erste Mal abseits der Straße mit der schweren Alp mit Gepäck, und so gleitet sie am Ziel ziemlich erledigt vom Moped und lässt sich im Schatten nieder. Währenddessen unterhalten wir uns mit dem Rezeptionisten des Platzes und fragen nach den Preisen. 150 Dirham, gut das haben wir in Asilah auch bezahlt. Also ok, dann abrödeln und entspannen. "Chaque moto cent cinquante Dirham" - jedes Mopped 150. Ich frage zweimal nach - es bleibt dabei. Wir versuchen zu handeln, ohne Erfolg und schließlich wird uns die Geschichte zu blöd. Von einem Franzosen auf dem vorigem Campingplatz wußten wir, dass er 200 Dirham zahlte. Auf Nachfrage erfahren wir, dass die großen Wohnmobile 150 Dirham zahlen und wir sollen drei mal soviel zahlen wie ein Acht-Meter-Schlachtschiff? Langsam dämmert es: Vielleicht sind auf diesem Platz (wie noch vor zwanzig Jahren bei uns erlebt!) Motorradfahrer unerwünscht? Heutzutage hat jede Kneipe in der Eifel oder im Bergischen das "Bikers Welcome"-Schild draußen. Hier braucht es anscheinend noch etwas Zeit. Wir müssen was anderes suchen.

Allerdings stoßen wir nun auf Widerstand: Kathi weigert sich, die "Höllenpiste" noch mal zurückzufahren. Nur viel Zureden und die Einsicht in die Unabänderlichkeit, dass sie die Strecke in jedem Fall nochmal wird fahren müssen, lassen sie schließlich doch aufsitzen und so machen wir uns auf den Weg zurück durch Marrakesch wieder auf die westliche Seite, wo bald ein Campingplatz zu finden ist, der mit einem Fünftel der Summe zufrieden ist - und wir sind es auch. Wir machen es uns gemütlich.
Das einzig Erwähnenswerte an diesem Abend ist der auf den Platz rollende Rotel-Tours-Bus (@El-Scheibel: die trifft man echt überall, nicht wahr? ), den man gerne als Außenstehender interessiert betrachtet. Für diejenigen, die damit nichts anfangen können: Das sind rote Busse mit deutschen Touristen, die in einem großen Hänger ihre Schlafwaben und die Bordküche hinter sich herziehen und gerade den ganzen Maghreb befahren.
Am nächsten Tag ist dann Besichtigungstag. Wir lassen die Mopeds stehen und fahren mit Mohammed - eine Empfehlung des oben erwähnten Franzosen - zunächst durch das hektische Treiben Marrakeschs in den Jardin Majorelle, den Yves Saint Laurent 1970 übernahm und der nun inmitten der lauten, hektischen, heißen, aber auch traumhaft vor dem Atlas posierenden Metropole Marokkos ein kühles und unwirkliches kleines Paradies darstellt. Leider ist Ostersonntag, wir sind spät dran und Busladungen anderer Touristen haben sich bereits hier ergossen. Wie zauberhaft müssen die Gärten wirken, wenn man sie früh am Tage weitestgehend alleine für sich hat.
Weiter geht es zum Palace de Bahia, bei dessen Besichtigung man unweigerlich an die Alhambra erinnert wird. Die Kunstfertigkeit, mit der die Handwerker Stuck, Gips und Zedernholz verarbeiten konnten, ist wirklich einmalig. Nach den Menara-Gärten und einem Snack am Straßenrand steht nun die Hauptherausforderung des Tages auf dem Programm: die Souks nördlich des Djemma el Fna. In einem der zahllosen Dachterrassencafes versuchen wir, uns einen ersten Überblick zu verschaffen und kaum sind wir oben angelangt und blicken über die Dächer der Medina in Richtung Osten ist da wieder diese Traumkulisse, diesmal nur näher als am Tag zuvor auf der Anreise: die schneebedeckten Viertausender des hohen Atlas umrahmen die östliche Stadtgrenze und minutenlang starrt man einfach hypnotisiert auf diese eindrucksvolle Lage der Millionenstadt. Nach einen Kaffee und dem mittlerweile schon obligatorischen frisch gepressten Orangensaft geht es hinein ins Getümmel - nicht ohne als westliche Angsthasen einen Satz neuer Batterien ins Navi gepackt und einen Wegpunkt gespeichert zu haben.
Jetzt schlägt die Stunde der beiden Damen. Sie schleppen ihre männliche Begleitung von einem Shop in den nächsten, Treppe rauf, links abbiegen, dann rechts, wieder runter zu den blauen Mathoms, dann die gelben Mathoms bestaunt. Oh wie schön sind die grünen Mathoms (Mathom = Staubfänger, unnütze Sache) und erst die aus Silber oder Holz! Und dann noch die Web-Mathoms. Wie wohltuend doch diese Duft-Mathoms riechen ... Irgendwann nach Stunden und vielen Stoff-, Leder-, Plagiate-Shops später die Erlösung bei Kaffee und frisch gepresstem Orangensaft auf der Dachterasse des Café Terrasse des Épices, den wir einstimmig zum schönsten Platz Marrakeschs küren, um den Sonnenuntergang abzuwarten. Im Westen der Stadt die untergehende Sonne und im Osten die rot leuchtenden, schneebedeckten Atlasberge hinter den Dächern der Stadt.
Als die Sonne untergegangen ist, finden wir mit GPS-Unterstützung zurück zum Djemma el Fna, der im Vergleich zum Mittag kaum noch wiederzukennen ist. Über hundert Garküchen reihen sich aneinander, der Duft von Gegrillten steigt in die Nase, die blechernen Töne der Schlangenbeschwörer untermalen den Anblick, wie Tausende Menschen in Gruppen Künstler umringen, Musiker aufspielen und Touristenfänger mit Billig-China-Schrott-Spielzeug unterwegs sind. Wir tauchen ein in die Menschenmasse und finden uns später in einer der zahlreichen Garküchen bei gegrilltem Hühnchen, Couscous, eingelegten Oliven, frischem Brot und Tomatenpaste wieder. Was wäre, wenn wir den anderen Campingplatz genommen hätten? Bestimmt wäre der Tag anders verlaufen, am Pool liegend mit Buch in der Hand - auch schön, aber das kann man überall haben. Alles scheint also für etwas gut zu sein.
Dann kam nochmal etwas Tumult in die Runde - Leben in der Bude war ja schon genug. An einem der Menschenansammlungen rund um einen Künstler konnte ein Marokkaner den Reizen westlicher Blondinen nicht widerstehen und behielt seine Finger - ganz Koran-untypisch - nicht bei sich, machte dann allerdings Bekanntschaft mit einer deftigen, nicht Koran-typischen Ohrwatschen und der Bloßstellung bei seinen Landsleuten, nachdem Susanne ihm lautstark das arabische Wort für Schande, "*Aib", entgegenschleuderte. Der so geläuterte Muslim bekam große Augen, nachdem alle Umstehenden ihre nun ihrerseits auf ihn richteten und beschloß flugs, sich aus dem Staub zu machen.
Fast hätte ich geschrieben, dass es ohne weiteren Zwischenfall mit Mohammed zurück zum Campingplatz ging. Das wäre aber gatt gelogen. Mohammed besitzt ein Sammeltaxi und wir hatten für halb neun Abends einen Treffpunkt mit ihm ausgemacht. Als wir nun im Taxi saßen, stieg ein Teil der Rotel-Gruppe mit ein und mit ihr gab es ganz großes Kino. Zuerst beschwerte sich eine der Damen, daß wir ja gar nicht zur Gruppe gehören.
Mohammed: "Ja, ja - egal, egal"
Schrille Reiseteilnehmerin hinten rechts: "Thorsten, hier sind noch drei Falsche drin!" (Wir waren gemeint.)
Thorsten, der Reiseleiter: "Ja."
Schrille Reiseteilnehmerin hinten rechts: "Wir gehören zusammen und sind eine Gruppe von 35!"
Thomas: "35 passen hier aber gar nicht nicht rein."
Erneut schrille Reiseteilnehmerin hinten rechts in ganz kleinem Karo: "Aber wir haben das als Gruppe bezahlt."
Thomas: "Wir auch."
Kurze Stille. Mohammed machte Musik. Die ersten Takte von Pink Floyd drangen in überraschend guter Qualität von hinten an unser Ohr. Geiler Tag und dann Pink Floyd während der Fahrt durchs nächtliche Marrakesch. Der Drehbuchautor hatte einen Orangensaft verdient.
Quiekende Frauenstimme von hinten links: "Die Musik ist viel zu laut! Das tut ja in den Ohren weh!"
Thorsten, leise zu Thomas: "Wisst Ihr, wer wir sind?"
Thomas: "Ja, Ihr seid von Rotel-Tours und du bist der Reiseleiter."
Thorsten: "Ja, und hoffentlich ein netter."
Thomas: "Ich meinte das wertfrei."
Erneut die quiekende Frauenstimme von hinten links: "Die Musik ist zu laut! Das dröhnt in den Ohren!"
Thorsten: "Dann halte dir die Jacke davor!" (Respekt! Das gibt Pluspunkte. Harte Burschen, diese Rotel-Tours-Guides - sie müssen schon was aushalten.)
Wieder die quiekende Frauenstimme von hinten links (ab jetzt WdqFvhl): "Ich habe keine Jacke dabei!"
Thorsten: "Dann halt was anderes!", und wieder leise an Thomas gewandt: "Und ihr fahrt mit dem Wohnmobil durch die Gegend?"
Thomas: "Nö, wir sind drei Rotel-Tours mit je einem Moped."
Thorsten: "Ach, die Motorradfahrer hinter uns."
Thomas: "Ja."
WdqFvhl: "Also so geht das nicht. Die Musik ist unerträglich."
Mann vorne rechts in Schweizerdeutsch: "Die Musik geht noch, aber die Bässe wummern so." (Stimmt, Pink Floyd ohne wummernde Bässe geht ja auch nicht so gut.)
Thorsten (laut, pflichtbewusst): "Mohammed, mach mal bitte die Musik was leiser, die Leute fühlen sich gestört."
Thomas (auch laut):  "Nein, tun sie nicht."
Der Rebell Mohammed drehte die Musik noch etwas lauter auf. Was für eine schöne Fahrt im Sammeltaxi! Wir konnten unser Lachen kaum zurückhalten. Für diese Erlebnis hätte man sogar Eintritt nehmen können.